Aarhus Universitets segl

New article by Matthias Heymann

Algorithmen, Politik und wissenschaftliche Standards: Wie die Klimavorhersage die Kultur der Klimawissenschaft veränderte. In: U. Hashagen & R. Seising (eds.), Algorithmische Wissenskulturen: Der Einfluss des Computers auf die Wissenschaftsentwicklung (2025)

Zusammenfassung

In diesem Beitrag steht die Klimaprognostik, die der gesellschaftlichen und politischen Planung dienen soll, als spezielle und außerordentlich einflussreiche Ausprägung einer algorithmisch-numerischen Wissenskultur im Vordergrund. Die computergestützte Klimamodellierung hat die Klimaforschung tiefgreifend verändert und zu einer physikalischen Wissenschaft gemacht. Sie repräsentiert einen fundamentalen Kulturwandel in der Erforschung des Klimas. Es ist die These dieses Beitrags, dass die Entwicklung der Klimamodellierung von einer heuristischen Modellnutzung, die dem wissenschaftlichen Verständnis der Atmosphäre diente, zu einer prognostischen Nutzung der Klimamodelle – der Simulation möglicher zukünftiger Klimazustände – einen weiteren tiefgreifenden Kulturwandel repräsentierte. Der Beitrag möchte die Diskussion über algorithmisch-numerische Wissenskulturen im Hinblick auf folgende Aspekte weiterführen: Erstens handelt es sich bei der Klimamodellierung nicht um eine einheitliche und monolithische Wissenskultur. Zweitens spiegeln die Entwicklung und die verschiedenen Ausprägungen der Klimamodellierung die unterschiedlichen politischen und kulturellen Kontexte wider, in denen sie entstanden – dies zeigen die Beispiele der Klimaprognostik in den USA und in Großbritannien in den 1970er-Jahren. Drittens dominierten politische und kulturelle Faktoren die Veränderungsdynamik der (Wissenschafts-)Kultur, die allerdings angeheizt und beschleunigt wurde durch das Potenzial digitaler Computer und die Forschungsstrategie der Modellierung.

https://doi.org/10.1007/978-3-658-35560-9_8